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Mechanische Komplikationen nach akutem Myokardinfarkt

Zu den typischen fünf mechanischen Komplikationen nach Myokardinfarkt gehören:

 

  1. die akute Mitralklappeninsuffizienz bei Papillarmuskelabriss (teilweiser oder kompletter Abriss)
  2. der Ventrikelseptumdefekt
  3. die Ruptur der freien Myokardwand mit konsekutiver Herzbeuteltamponade
  4. das Pseudoaneurysma des linken Ventrikels
  5. das Ventrikelaneurysma des linken Ventrikels

 

Vor allem die ersten vier genannten Komplikationen sind mit einer hohen Morbidität und Letalität verbunden. Eine erfolgreiche Versorgung dieser Komplikationen ist höchst komplex und setzt eine hervorragende, multidisziplinäre Zusammenarbeit aus Herzchirurgen, Kardiologen und Intensivmedizinern sowie den zuständigen Pflegekräften voraus. Der typische Patient, der sich mit mechanischen Komplikationen nach Myokardinfarkt vorstellt, ist die ältere Frau mit Herzinsuffizienz und chronischer Niereninsuffizienz, die hierbei ihren ersten Myokardinfarkt entwickelt hat. Bei Aufnahme in der Klinik sind diese Patienten oft bereits im kardiogenen Schock mit einem hohen Katecholamin- bzw. Vasopressoren-Bedarf und nicht selten bereits intubiert und maschinell beatmet. Nachfolgend wird auf die fünf typischen mechanischen Komplikationen mit deren Inzidenz, Pathophysiologie, Klinik, Verlauf und Therapie im Einzelnen eingegangen.

Akute Mitralklappeninsuffizienz bei Papillarmuskelabriss (teilweise oder komplett)

Die Inzidenz der akuten Mitralklappeninsuffizienz durch teilweisen oder kompletten Papillarmuskelabriss nach Myokardinfarkt liegt bei 0,05 bis 0,26 Prozent und ist mit einer Letalität von 10 bis 40 Prozent verbunden. Kommt es im Rahmen eines Myokardinfarktes zu einer Minderdurchblutung oder einer kompletten Unterbrechung der Durchblutung der Papillarmuskel, kann es zur Ruptur kommen. Hierbei ist der posteromediale Papillarmuskel häufiger betroffen, da dieser im Gegensatz zum anterolateralen Papillarmuskel nur von einem Herzkranzgefäß versorgt wird, entweder dem Ramus circumflexus oder der rechten Koronararterie. Dabei entscheidet der Umstand, ob es sich um einen teilweisen oder kompletten Abriss des Papillarmuskels handelt, über den Schweregrad der klinischen Symptomatik des Patienten. Patienten mit akuter Mitralklappeninsuffizienz stellen sich typischerweise 3 bis 5 Tage nach akutem, transmuralem ST-Hebungsinfarkt im akuten Lungenödem vor. Nach entsprechender Diagnostik, vornehmlich mittels Echokardiographie, und intensivmedizinischer Stabilisation besteht die Indikation zum notfallmäßigen Mitralklappenersatz, wahlweise biologisch oder mechanisch. Oft werden hier begleitend die betroffenen Koronararterien mit Bypässen versorgt. Die perioperative Letalität beträgt hierbei etwa 20 Prozent. Die Überlebensrate nach einem chirurgischem Eingriff beträgt dabei über 70 Prozent, wohingegen die Überlebensrate nach konservativer, medikamentöser und intensivmedizinischer Therapie alleine bei lediglich 30 Prozent liegt. Alternativ kann für Patienten, die nicht einer herzchirurgischen Operation zugeführt werden können, eine interventionelle Therapiestrategie mittels MitraClip als sogenannte „Edge-to-Edge-Repair“ in Erwägung gezogen werden.

Ventrikelseptumdefekt nach Myokardinfarkt

Die Inzidenz des Ventrikelseptumdefektes (VSD) nach akutem Myokardinfarkt liegt bei 0,3 Prozent. Risikofaktoren stellen erhöhtes Alter, weibliches Geschlecht und eine verzögerte Therapie des Myokardinfarktes dar. Es kommt dabei zu 70 Prozent zu sogenannten apikalen oder anterioren Ventrikelseptumdefekten, bei denen der Ramus interventrikularis anterior als versorgendes Gefäß betroffen ist. In 30 Prozent liegen posteriore VSDs mit der rechten Koronararterie als versorgendes Gefäß vor. Die Letalität des unversorgten VSDs liegt bei 80 Prozent in den ersten 30 Tagen nach Myokardinfarkt. Die Patienten stellen sich typischerweise 3 bis 5 Tage nach stattgehabtem Myokardinfarkt mit Dyspnoe, Orthopnoe, Hypotonie, Oligurie und kalter Peripherie aufgrund des mehr oder weniger ausgeprägten Links-Rechts-Shunts vor. Nach entsprechender Diagnostik mittels Echokardiographie erfolgt die intensivmedizinische Stabilisation des Patienten. Therapie der Wahl ist der chirurgische Verschluss des VSDs mittels Patch. Hierbei wird der Eingriff bei hämodynamisch stabilen Patienten um 7 Tage verzögert unter intensivmedizinischer Überwachung, bis sich das angrenzende Gewebe mittels Binde- und Narbengewebe stabilisiert hat. Als operative Techniken kommen entweder die Reparatur mittels Patchverschluss nach Daggett oder die Infarkt Exklusion nach David zur Anwendung, ggf. mit begleitender Bypassversorgung. Eine Notfalloperation kommt nur bei hämodynamisch instabilen Patienten im therapierefraktären kardiogenen Schock in Frage und ist mit einer hohen begleitenden Letalität verbunden. Alternativ kann hier eine interventionelle Versorgung mittels Amplatzer® Septal Occluder Device in Erwägung gezogen werden.  Die initiale Erfolgsrate ist hier zwar mit 80 bis 100 Prozent sehr hoch, aber es kommt hierbei häufig zu Komplikationen im Verlauf wie Embolisation des Occluder Device, Device-Versagen im Sinne eines insuffizienten Verschlusses des VSDs oder ventrikuläre Arrhythmien und Hämolyse.

Myokardwandruptur mit konsekutiver Herzbeuteltamponade

Die Ruptur der freien Myokardwand nach stattgehabtem Myokardinfarkt führt in kürzester Zeit zur Herzbeuteltamponade. Die wahre Inzidenz der freien Myokardwandruptur ist daher unklar, da sich dieses Ereignis häufig außerhalb eines Krankenhauses als sogenannter plötzlicher Herztod ereignet. Wenn dieses Ereignis im Krankenhaus auftritt, zeigt der betroffene Patient eine Jugulavenenerweiterung, einen Pulsus paradoxus, abgeschwächte Herztöne und letztlich eine pulslose elektrische Aktivität, eine sogenannte elektro-mechanische Entkopplung. Das diagnostische Mittel der Wahl ist die Echokardiographie.  Die Versorgung ist die notfallmäßige chirurgische Hämatom-Entlastung mit Infarktektomie und Patchverschluss des Defektes mittels Dacron- oder Perikardpatches. Die In-Hospital-Letalität beträgt hierbei ca. 35 Prozent. Im Anschluss an den Eingriff empfiehlt sich häufig die mechanische Entlastung des linken Ventrikels mittels extrakorporaler Membranoxygenierung (ECMO), interventionell implantierten Impella CP® Device oder linksventrikulärem Unterstützungssystem (LVAD).

Pseudoaneurysma des linken Ventrikels nach Myokardinfarkt

Pseudoaneurysmen des linken Ventrikels sind sehr selten und stellen eine Sonderform der vorher genannten Ruptur der freien Ventrikelwand dar. Es handelt sich hierbei um eine gedeckte Perforation der Ventrikelwand. Kommt es nach transmuralem Myokardinfarkt zu Verklebungen und Verwachsungen des Epikards mit dem angrenzenden Perikard im Rahmen der begleitenden Entzündungsreaktionen, verhindert das so verklebte Perikard einen Blutaustritt aus dem linken Ventrikel im Bereich der Ruptur der Ventrikelwand.  Pseudoaneurysmen kommen am häufigsten im Bereich der Seiten- und der Hinterwand des linken Ventrikels vor. Dies ist aus der liegenden Position der wegen eines Myokardinfarktes hospitalisierten Patienten zu erklären.  Die klinischen Symptome sind häufig unspezifisch, so dass ein Pseudoaneurysma nicht selten lange unentdeckt bleiben kann. Symptome sind Dyspnoe, Zeichen der Herzinsuffizienz und Thoraxschmerzen. Diese Komplikation betrifft häufiger Männer als Frauen. Die diagnostischen Mittel sind die Echokardiographie, die Computertomographie und die Magnetresonanztomographie. Die Therapie ist der dringende chirurgische Verschluss der Perforationsstelle mittels PTFE verstärkter Direktnaht oder mittels Gore-Tex, Dacron oder Perikard Patchverschluss. Alternativ ist ein arteriell-retrograder, interventioneller Verschluss mit einem Amplatzer® Septal Occluder Device bei nicht operablen Patientenmöglich . Die Platzierung erfolgt dabei unter transösophagealer Echokardiographie und Fluoroskopie-Kontrolle.

Aneurysma des linken Ventrikels nach Myokardinfarkt

Echte Aneurysmen des linken Ventrikels nach Myokardinfarkt können lange unentdeckt bleiben. Eine chirurgische Therapie wird in Erwägung gezogen bei therapierefraktärer Herzinsuffizienz, ventrikulären Arrhythmien, welche unter maximal möglicher pharmakologischer Therapie und nach interventionellen Ablationsversuchen persistieren, sowie bei rezidivierenden Thrombembolien aus dem Aneurysma trotz effektiver Antikoagulationstherapie. Hier besteht eine IIa Empfehlung gemäß des American College of Cardiologists (ACC) und der American Heart Association (AHA) von 2004, mit einem Evidenzlevel B. Die chirurgische Versorgung besteht aus einer Plikatur oder einer Exzision des Aneurysmas mit begleitender Rekonstruktion des linken Ventrikels mittels endoventrikulären Patches.